Strenger Winter – weniger Ungeziefer? Diese Frage taucht immer mal wieder auf. Gerne wird von älteren Gartenbesitzern, aber auch generell in der Bevölkerung über kalte Winter philosophiert, während das „Ungeziefer“ kaputtgeht. Den Neugärtnern fehlt erstmal die Erfahrung, um das einzuschätzen. Andere Bevölkerungsteile reden halt mal so drüber, wie das am Stammtisch häufiger geschieht: „Hab ich im Internet gelesen“. Damit gleich von vorne herein klar gestellt ist: So einfach ist das nicht. Meist ist es ein Trugschluss.
Was verstehen wir denn unter Ungeziefer. Manchen langt schon eine Spinne. Für andere sind Wespen, Fliegen, Silberfischchen, Kakerlaken sowieso unnötig. Von Ratten und Mäusen ganz zu schweigen. Im Garten sind Blattläuse, Raupen von Kohlweißling, Apfelwickler, Dickmaulrüßler, Wühlmaus genauso auf der Beliebtheitsskala ganz unten wie auch die Spinnmilben. Dem einen oder anderen gehen sogar Regenwürmer und Maulwurf gegen den Strich. Sie tummeln sich im Rasen.
Ich geb jetzt einfach meine Einschätzung kund: Die Mehrheit versteht unter Ungeziefer in diesem Zusammenhang die Schädlinge an Nutz-und Zierpflanzen in den Gärten. In erster Linie sind das Insekten. Also landläufig als Würmer, Käfer, Milben und Läuse bekannt. Darauf bezieht sich dieser allgemeine Ausdruck. Woher kommt überhaupt diese Vorstellung, dass in strengen Wintern Schädlinge stärker absterben? Ich kann mir da ein gewisses Wunschdenken vorstellen. Wir empfinden Kälte als unangenehm und übertragen das auf andere. Grundsätzlich überstehen in Deutschland heimische Insekten unsere Winter ohne nennenswerte Verluste. Sie sind über Jahrmillionen an diesen Jahresablauf angepasst. Erwachsene Sitkafichtenläuse können Minusgrade im Bereich von 10 bis 15 Grad Celsius abhaben. Zumindest ein paar Tage lang. Falls sie es nicht mehr aushalten, haben sie aber in weiser Voraussicht Wintereier abgelegt. Eher friert die Heizung ein, bevor die kaputtgehen.
Zusätzlich suchen alle Insekten geschützte Bereiche zur Überwinterung auf. Deshalb ist auch nach wie vor die Kirschessigfliege nicht erfroren. Wenn es ums Überleben geht, machen die Tiere auch vor unseren Wohnungen nicht halt. In jedem Frühjahr fallen Wanzen, Käfer, Florfliegen und sonstiges Getier an den Fenstern auf. Es ist hell und die Temperatur ist angenehm, da wollen sie raus. Auch Spinnmilben und Frostspanner haben als Ei keine Überwinterungsprobleme. Der bekannte Apfelwickler versteckt sich als eingesponnene Raupe in einem Kokon hinter der Rinde, am Stammfuß bzw. in der Bodenstreu.
Wenn sie aus der Winterruhe geholt werden
Feuerwanzen sind vielen Gartenfreunden bekannt. Sie scheinen im Frühjahr plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen. Sie überstehen die kalte Jahreszeit als Larven oder erwachsenes Tier in großen Ansammlungen versteckt in Mauerritzen, Bodenmulm und sonstigen Schlupflöchern. Kastanienminiermotten verpuppen sich im Blatt und bleiben im Falllaub bis für sie die Temperatur wieder stimmt. Gemüsefliegenlarven verpuppen sich im Boden um zu überleben.Aber nicht nur Insekten haben verschiedene Wege, um sich vor dem Winter zu wappnen. Unsere schleimigen Mitesser, Nacktschnecken, verkriechen sich ebenfalls tief in die Erde. Sie können aber auch als Ei und Jungtier überleben. Ganz gemein: Bei wärmerem Wetter sind sie ruck zuck da.
Gut, so viel zu der Taktik, um durch den strengen Winter zu kommen. Sie sehen, die Natur weiß sich zu helfen. Mit anderen Worten: Alles, was an Schädlingen rumfleucht und kreucht, kommt mit anhaltender Kälte zurecht. Genau das ist es. Anhaltende, gleichmäßige Temperatur. Schwankungen in Form von Wärmeeinbrüchen - wieder kalt, warm, kalt, zwischendurch Regen - sorgen für Unbehagen. Es müssen Umstände auftreten, die die Viecher aus ihrer Winterruhe aufwecken. Ab diesem Zeitpunkt wird es brenzlig. Witterung, die uns Menschen über Winter nicht gefällt, bedeutet auch Unannehmlichkeiten für die Schädlinge.
Stärkere Temperaturunterschiede über längere Zeiträume mit Feuchtigkeit sind eine Gefahr für Läuse und Co. Wie oft sagen wir: Trocken-Kalt ist in Ordnung. Aber das nasskalte Wetter macht uns erheblich zu schaffen. Dauert so eine Wärmephase lange genug, erwachen die Lebensgeister in den Überwinterungsstadien. Sie glauben, es wird Frühjahr und Zeit zum Loslegen. Ändert sich das Wetter wieder zügig in Richtung Kälte, können sie sich nicht flott genug umstellen. Damit nennenswerte Mengen absterben, sind normalerweise aber mehrfach solche Extremveränderungen notwendig. Zusätzlich greifen Pilzkrankheiten die Überwinterungsstadien an. Solche Wärmeschübe und Feuchtigkeit fördern deren Verpilzung und damit das Absterben. Also auf uns Menschen bezogen, nass-kühles Erkältungswetter macht den Überlebenskünstlern zu schaffen. Trockene Kälte ist kein Problem, wir haben sie ja auch lieber.
Quelle:
Hans Willi Konrad
Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR)
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